Projekt

INTEGRATE ist ein Akronym und steht für Integrierte Versorgung Neuer Therapien durch Telemedizin, Empowerment, Gentherapeutika, Register, Arzneimittelsicherheit, strukturierte Therapiepfade und Erstattung. Der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses und den gesetzlichen Krankenkassen haben das INTEGRATE-ATMP-Projekt für vier Jahre bewilligt und fördern es mit insgesamt 13,64 Mio. Euro.

Das Projekt adressiert erwachsene Patientinnen und Patienten, die an einer Erkrankung des lymphatischen Systems leiden und mit chimären Antigen-Rezeptor (CAR)-T-Zellen behandelt werden. Zudem begleitet das Projekt Kinder, die an einer spinalen Muskelatrophie (SMA), einer metachromatischen Leukodystrophie (MLD) oder an einem schweren kombinierten Immundefekt aufgrund eines Adenosindesaminase-Mangels (ADA-SCID) erkrankt sind und mit ATMPs behandelt werden.

Dass das Projekt vier verschiedene Erkrankungen adressiert und die in dem Projekttitel enthaltenen Begriffe verdeutlichen bereits die Komplexität und Vielschichtigkeit des Projekts. Aus diesem Grund haben sich unter der Führung des Universitätsklinikums Heidelberg acht weitere Universitätskliniken, die Techniker Krankenkasse, nationale Registerbetreiber, der Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und das Institut Frauengesundheit in Tübingen zusammengeschlossen und ein sogenanntes Konsortium gebildet. Dieses Konsortium entwickelt in Abstimmung mit einem eigens gegründeten wissenschaftlichen Beratungsgremium, dem Scientific Advisory Board, sogenannte Strukturmaßnahmen.

Therapie mit ATMPs

ATMP ist eine Abkürzung für »Arzneimittel für neuartige Therapien« oder auf Englisch »Advanced Therapy Medicinal Products«. Gentherapeutika zählen zu den ATMPs und können defekte oder falsch funktionierende Gene ersetzen, reparieren oder entfernen. ATMPs werden als Gentherapeutika bei Erkrankungen angewandt, für die es bisher keine oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gab. Derzeit verändern ATMPs die Therapielandschaft grundlegend, indem sie die Behandlung bzw. teilweise dauerhafte Heilung schwerwiegender Krankheiten ermöglichen.

Hohe Qualitätsansprüche bei der Anwendung von ATMPs

ATMP-Therapien für die vier in INTEGRATE-ATMP adressierten Erkrankungsgruppen werden in Deutschland seit 2018 angewandt. Da sie ins Erbgut eingreifen, werden an ATMPs und deren Anwendung sehr hohe Qualitätsansprüche gestellt. Dies geht mit einigen Herausforderungen einher: In den Kliniken bzw. Behandlungszentren entstehen durch die Verabreichung von ATMPs neue Anforderungen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen bestehende Versorgungsstrukturen der Kliniken in der ambulanten Vor- und Nachsorge angepasst werden. Dazu zählt auch eine finanzielle und strukturelle Angleichung an den neuen Aufwand, der mit der Anwendung von ATMPs einhergeht. Erfahrungsgemäß ist der Behandlungsaufwand bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit ATMPs im Vergleich zu den sonstigen Therapien überdurchschnittlich hoch.


INTEGRATE-ATMP soll dazu beitragen, verbindliche Rahmenbedingungen für eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Anwendung von bestehenden und zukünftigen ATMPs in Deutschland zu schaffen und damit eine optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Im Idealfall wird dies dazu führen, die individuelle Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

INTEGRATE-ATMP-Strukturmaßnahmen

Die Optimierung der Versorgung von ATMP-Patientinnen und -Patienten wird im Projekt durch die zeitlich gestaffelte Einführung mehrerer neuer Versorgungsstrukturen, sogenannten Strukturmaßnahmen, erfolgen:

1. Einheitliche ATMP-Behandlungspläne für die strukturierte Vor- und Nachsorge

Für die Verabreichung von ATMPs gibt es in Deutschland Qualitätssicherungsrichtlinien, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelt werden. In der Vorbereitung auf die Therapie und in der Nachsorge nach ATMP-Gabe mangelt es jedoch an einheitlichen, deutschlandweit etablierten, strukturierten Behandlungsplänen. Darüber hinaus fehlt es an einer einheitlichen, kostendeckenden Erstattung der sehr aufwendigen Vor- und Nachsorge von ATMP-Therapien an den spezialisierten Behandlungszentren.

Dies ist der Grund dafür, dass innerhalb des Projekts strukturierte Behandlungspläne für die Vor- und Nachsorge erstellt werden, die auf die jeweilige Erkrankung zugeschnitten sind. Diese werden dann an allen beteiligten Behandlungszentren gleichermaßen angewendet und einheitlich finanziert. Darüber hinaus erstellen das Konsortium und das Scientific Advisory Board einen Finanzierungsplan der strukturierten Behandlungspläne. Dies soll nach Projektende eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der projektbedingten Maßnahmen ermöglichen.

Die im Projekt erarbeiteten Behandlungspläne und Finanzierungsmodelle sollen auch als Blaupause für die Versorgung mit ATMPs dienen, die aktuell noch in der Entwicklung sind und erst in der Zukunft zugelassen werden.


2. Das krankheitsübergreifende INTEGRATE-ATMP-Register für eine umfassende Datengrundlage

Medizinische Register sammeln Daten zu Erkrankungen, Krankheitsverläufen, Therapien und/oder Patientengruppen. Damit sollen neben Qualitätssicherungsaspekten medizinisch-wissenschaftliche oder epidemiologische Fragestellungen adressiert werden.

Insbesondere für Erkrankungen, die selten vorkommen, sind Register essenziell. Sie erheben standardisierte Daten über Standorte und Grenzen hinweg, wodurch insgesamt höhere Zahlen und eine bessere Beschreibung der Erkrankungen und des Einflusses neuer Therapien auf die Verläufe der Erkrankungen möglich sind. Je mehr Daten ein Register beinhaltet, desto größer der Informationsgewinn und die Möglichkeit, bestehende Therapien hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit zu bewerten. Am häufigsten sind Register, die sich auf eine bestimmte Erkrankung konzentrieren. Dazu werden Patientinnen und Patienten, die die entsprechende Erkrankung haben, über einen längeren Zeitraum beobachtet. Derzeit gibt es über 350 verschiedene medizinische Register in Deutschland. Leider können sie in den meisten Fällen nicht mit anderen Registern verknüpft werden, das heißt es können keine Daten ausgetauscht und gemeinsam analysiert werden, um die Aussagekraft der Daten zu erhöhen.

Das INTEGRATE-ATMP-Register möchte eine solche isolierte Datensammlung überwinden. Das im Rahmen des Projekts entstehende Register ist so angelegt, dass es Daten zu unterschiedlichen Erkrankungen, die mit ATMPs behandelt werden, erfassen kann. Dabei soll es bereits bestehende Krankheitsregister nicht ersetzen, sondern mit ihnen verknüpft werden und in Zukunft auch um neue ATMP-Zulassungen erweiterbar sein.


3. Die telemedizinische INTEGRATE-ATMP-Plattform und -App für eine zielgerichtete Kommunikation

Eine telemedizinische Kommunikationsplattform und App sollen den direkten Austausch aller an der ATMP-Behandlung Beteiligten (Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte, Case Managerinnen und Case Manager) ermöglichen bzw. vereinfachen. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten in ihrem Therapiealltag und deren Behandlungszentren in ihrem Versorgungsalltag zu entlasten. So können sich beispielsweise behandelnde Ärztinnen und Ärzte die Therapiedaten ihrer Patientinnen und Patienten übersichtlich darstellen lassen. Eine weitere Erleichterung ist die Verknüpfung der telemedizinischen Plattform mit dem INTEGRATE-ATMP-Register.

Die telemedizinische Plattform steht den Patientinnen und Patienten als App für das Smartphone und Tablet zur Verfügung. Die App ermöglicht den Patientinnen und Patienten Gesundheitsdaten einzugeben, Termine übersichtlich anzuzeigen und schnell mit den Behandlerinnen und Behandlern in Kontakt zu treten.


4. Die Nebenwirkungsmanagement-Plattform für Kinder mit Spinaler Muskelatrophie

Innerhalb des Projekts bietet die Nebenwirkungsmanagement-Plattform Eltern von Kindern, die eine Gentherapie zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie erhalten haben, die Möglichkeit, unerwünschte Nebenwirkungen der Therapie zu erfassen. Daraus werden im Rahmen des Projekts geeignete Therapieempfehlungen für diese Nebenwirkungen entwickelt.

Bei Auftreten von schweren Nebenwirkungen muss das ärztliche Fachpersonal diese an Aufsichtsbehörden melden. Diese gesetzliche Meldepflicht bleibt auch innerhalb des Projekts INTEGRATE-ATMP bestehen.

Die meldenden Ärztinnen und Ärzte können eine Expertengruppe einschalten, die sich kurzfristig zu dem entsprechenden Fall berät. Ziel ist es, eine gemeinsame Therapieempfehlung auf Basis des besten aktuell verfügbaren Wissens zu erhalten. Dies geschieht in Abstimmung mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, die diese Therapieempfehlung umsetzen können. Die Projektkoordination von INTEGRATE-ATMP protokolliert den Erfolg der Therapie der Nebenwirkung. Damit soll das Wissen um auftretende Nebenwirkungen und deren Behandlung verbessert werden.


5. Verschiedene Therapiemöglichkeiten für eine bestmögliche Behandlung

Der Therapie mit ATMPs kann ein sogenanntes Therapieentscheidungsboard, bestehend aus Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen, vorgeschaltet sein. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können in diesem Board Patientinnen und Patienten, die möglicherweise für eine ATMP-Behandlung in Frage kommen, am jeweiligen Behandlungszentrum vorstellen. Im Rahmen des INTEGRATE-ATMP-Projekts kann dieses Therapieentscheidungsboard über die telemedizinische Plattform einberufen werden. Nach der ATMP-Therapie am Behandlungszentrum sollte die Nachbetreuung von Patientinnen und Patienten in Kooperation mit niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten erfolgen. Die telemedizinische Plattform des INTEGRATE-ATMP-Projekts ermöglicht einen kontinuierlichen, gesicherten und strukturierten Informationsaustausch zwischen dem Behandlungszentrum und den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.