ADA-SCID

ATMP am Beispiel des schweren kombinierten Immundefekts (ADA-SCID)

Der Adenosindesaminasemangel (ADA-SCID) ist eine genetische Erkrankung und zählt zu den schweren, kombinierten Immundefekten. Kinder mit ADA-SCID haben eine Störung des Purinstoffwechsels und es entstehen giftige Stoffwechselprodukte, welche die Entwicklung von Lymphozyten verhindern. Lymphozyten werden für ein intaktes Immunsystem jedoch benötigt. So kommt es zu einem Mangel an T-, B- und Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), was zu schweren, wiederkehrenden Infektionen führt, wie z.B. Mittelohrentzündungen, Bronchitis und Lungenentzündungen. Ebenso gehören Gedeihstörungen, chronische Durchfälle und weitere nichtimmunologische Symptome wie Skelettdysplasie, motorische und kognitive Störungen, Taubheit und Leberdysfunktion zu den möglichen Folgen. Die Häufigkeit einer ADA-SCID-Erkrankung wird auf 1:50.000 bis 1:100.000 Neugeborene geschätzt, das sind europaweit etwa 15 Kinder jährlich. Neben dem ADA-SCID mit frühen Beginn (85–90 % der Fälle) gibt es Kinder, die erst mit Beginn nach dem 1. Lebensjahr (delayed-onset, 10–15 %) und mit noch späterem Beginn (late-onset, selten) Symptome zeigen. Der ADA-SCID wird in Deutschland seit August 2019 im erweiterten Neugeborenenscreening gefunden. Die Diagnose muss anhand komplexer immunologischer und molekulargenetischer Bestätigungsdiagnostik sowie dem fehlenden Nachweis der Adenosindesaminaseaktivität gesichert werden.

Behandlungsmöglichkeiten: Zunächst gilt es, Patienten vor Infekten durch Viren, Bakterien und Pilze zu schützen. Auch Infektionen, die bei Personen mit gesundem Immunsystem unkompliziert verlaufen, sind für ADA-SCID-Patienten lebensbedrohlich, weshalb Immunglobuline, Antibiotika, Antimykotika oder Virostatika zum Einsatz kommen. Neugeborene mit ADA-SCID dürfen keine Lebendimpfungen erhalten und können nur dann gestillt werden, wenn die Mutter in ihrem Leben sicher noch keine CMV-Infektion hatte. Diese Maßnahmen und Medikamente stellen keine Heilung dar, sie können lediglich Infektionen verhindern oder deren Verlauf abmildern. Um die Gefahr wiederkehrender Infektionen sicher abzuwenden, benötigen die Patienten ein funktionsfähiges Immunsystem. Dieses kann über eine Stammzellentransplantation, eine Enzymersatztherapie oder eine Gentherapie hergestellt werden. Vor der europäischen Zulassung der Gentherapie im Jahr 2016 galt eine Knochenmarkstransplantation als einzige Chance auf Heilung. Für einen solchen Austausch von Stammzellen bedarf es jedoch idealerweise eines passenden Spenders und es besteht das Risiko schwerer Behandlungskomplikationen. Vor dem Neugeborenenescreening lag die Sterblichkeitsrate bei dieser Art der Behandlung bei einem von 10 Kindern. Alternativ kann das fehlende Enzym ADA im Rahmen einer Enzymersatztherapie ein bis zweimal pro Woche in den Muskel gespritzt werden, aber dies stellt keine zufriedenstellende Langzeitbehandlung da. Bei einer gentherapeutischen Behandlung werden Stammzellen aus dem Knochenmark der Patienten selbst gewonnen. Mittels einer Genfähre werden die bereinigten Stammzellen den Patienten wieder zugeführt, wo sie funktionstüchtige Lymphozyten herstellen können. Die Patienten verfügen durch diese Transplantation über ein weitgehend intaktes Immunsystem. Da die Gentherapie recht jung ist, gibt es noch keine Daten zur Dauer der Wirkung. Forscher gehen jedoch davon aus, dass die Wirkung ein Leben lang anhält und bisher ist kein so behandelter Patient an Behandlungskomplikationen verstorben.