MLD

Was ist das Besondere an ATMPs?

Unter dem Dach des INTEGRATE-Projekts werden vier sehr unterschiedliche Erkrankungen zusammen gebracht, die eines gemeinsam haben: Mit Hilfe von Gentherapien kann ein Fortschreiten der Erkrankung gestoppt oder ein Ausbruch sogar verhindert werden. Gentherapeutika zählen zu den ATMPs und können defekte oder falsch funktionierende Gene ersetzen, reparieren oder entfernen. ATMPs werden als Gentherapeutika bei Erkrankungen angewandt, für die es bisher keine oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gab. Derzeit verändern ATMPs die Therapielandschaft grundlegend, indem sie die Behandlung bzw. teilweise dauerhafte Heilung schwerwiegender Krankheiten ermöglichen. Klassische Medikamente, wie zum Beispiel Kopfschmerztabletten, sind für viele Menschen gleich anwendbar. Dabei ändert sich das Medikament nicht, es ändert sich gegebenenfalls die Dosis, die ein Mensch einnimmt, damit das Medikament wirken kann.

Von diesen klassischen Arzneimitteln unterscheiden sich ATMP-Gentherapien in zweierlei Hinsicht: Im Fall der CAR-T-Zell-Therapie werden sie aus dem Blut der Patientinnen und Patienten individuell hergestellt. Im Fall der spinalen Muskelatrophie (SMA), dem schweren kombinierten Immundefekt (ADA-SCID) und der metachromatischen Leukodystrophie (MLD) ist die Herstellung einheitlich, die Dosierung wird aber für jede Patientin und jeden Patienten individuell berechnet.

Herausforderungen bei der Anwendung von ATMPs?

ATMP-Therapien für die vier in INTEGRATE-ATMP adressierten Erkrankungen werden in Deutschland tlw. seit 2018 angewandt. Da sie ins Erbgut eingreifen, werden an ATMPs und deren Anwendung sehr hohe Qualitätsansprüche gestellt. Dies geht mit einigen Herausforderungen einher:

  • Bestehende Versorgungsstrukturen der Kliniken in der ambulanten Vor- und Nachsorge müssen angepasst werden (finanzielle und strukturelle Angleichung an den neuen Aufwand).
  • Therapieerfolge müssen systematisch erfasst werden, um anschließend aussagekräftige Ergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit der Präparate zu erhalten.
  • Erfassung der subjektiven Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten, also gesundheitsbezogene Lebensqualität und Zufriedenheit im Verlaufe der Behandlung.

ATMP am Beispiel der metachromatischen Leukodystrophie (MLD)

Die Metachromatische Leukodystrophie (MLD) ist eine seltene und schwer verlaufende, genetisch bedingte Störung des Nervensystems, die durch einen Mangel an Arylsulfatase A verursacht wird. Dieses Enzym ist entscheidend für den Abbau von Sulfatiden, die für die Myelinscheiden der Nervenfasern von großer Bedeutung sind. Bei MLD kommt es zu einer Anhäufung dieser Lipide, was zu fortschreitendem Verlust der weißen Substanz im Gehirn führt. Die Erkrankung manifestiert sich in neurologischen Symptomen wie Gangstörung und kognitivem Abbau und führt unbehandelt zu schwerem neurologischem Funktionsverlust.

In den letzten Jahren wurde eine Gentherapie für MLD in einer Studie untersucht, zeigte gute Sicherheit und Effektivität, und wurde daher in Europa als neue Behandlungsoption zugelassen. Dabei wird der Gendefekt im Rahmen einer autologen Stammzelltransplantation behandelt. Inzwischen zeigen auch Langzeitergebnisse den anhaltend positiven Effekt für dieses innovative Therapieverfahren, welches in Deutschland in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen verfügbar ist.